(c) Fotolia

Vorschriften schwerer als Kühe: Bürokratieabbau für Milchbauern

Das Thema Bürokratieabbau ist seit Anfang 2024 in aller Munde. Gerade in der Landwirtschaft wird die Vielzahl an Gesetzen und Verordnungen, an die sich Landwirte halten müssen, zunehmend kritisch gesehen. Viele Landwirte empfinden die Vorgaben als Belastung, weil sie neben der eigentlichen Arbeit auf dem Feld und im Stall einen erheblichen zeitlichen Aufwand für Verwaltung und Dokumentation mit sich bringen. Um besser zu verstehen, weshalb ein Bürokratieabbau im Agrarsektor gefordert wird, lohnt sich ein Blick auf die rechtlichen Grundlagen, die Landwirte in Deutschland und der Europäischen Union einhalten müssen.

Zunächst gelten für Landwirte, wie für alle Bürger, die allgemeinen Rechtsgrundlagen wie das Grundgesetz und das Bürgerliche Gesetzbuch. Darüber hinaus unterliegt die Landwirtschaft einer Vielzahl spezieller Vorschriften aus dem Umwelt- und Landwirtschaftsrecht. Das Baugesetzbuch legt fest, wo Stallungen oder Lagerstätten gebaut werden dürfen, während das Bundesnaturschutzgesetz und das Bundes-Bodenschutzgesetz den Schutz von Natur, Landschaft und Böden regeln. Die Düngeverordnung schreibt vor, wie Düngemittel eingesetzt werden dürfen, um Grundwasser und Böden zu schützen, und das Pflanzenschutzgesetz enthält detaillierte Vorgaben zum Einsatz und zur Dokumentation von Pflanzenschutzmitteln. Ergänzt wird dies durch das Wasserhaushaltsgesetz, das den Schutz von Oberflächengewässern und Grundwasser insbesondere beim Einsatz von Gülle oder Pestiziden sicherstellt. Hinzu kommen die Regelungen der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union, deren Förderungen an strenge Auflagen wie Cross-Compliance und Greening gebunden sind.

Für Landwirte, die Tiere halten, gilt darüber hinaus ein komplexes Regelwerk im Bereich Tierschutz und Tiergesundheit. Das Tierschutzgesetz sowie die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung enthalten detaillierte Vorgaben zu Haltung, Platzangebot, Licht, Fütterung und Pflege. Die Tierschutztransportverordnung sowie einschlägige EU-Regelungen regeln zudem den Transport lebender Tiere. Darüber hinaus gelten spezielle Bestimmungen zum Schutz vor Tierseuchen, etwa die Tuberkulose-Verordnung für Rinder, die Verordnung über anzeigepflichtige Tierseuchen oder die Maul- und Klauenseuche-Verordnung. Auch der Einsatz von Tierarzneimitteln ist gesetzlich geregelt, insbesondere durch Dokumentations- und Meldepflichten.

Sobald landwirtschaftliche Produkte in die Lebensmittelkette gelangen, kommen weitere Vorschriften hinzu. Maßgeblich sind hier das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch sowie verschiedene EU-Hygieneverordnungen, die speziell für tierische Produkte strenge Standards festlegen. Hinzu treten spezielle Regelungen wie das Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz, die Rohmilchgüteverordnung oder weitere Gesetze zum Umgang mit Milch und Milcherzeugnissen. Zwar können Landwirte freiwillig an Qualitätssicherungssystemen wie dem QS-Standard teilnehmen, in der Praxis ist dies jedoch für den Absatz ihrer Produkte nahezu zwingend erforderlich.

Auch im Arbeits- und Sozialrecht gibt es zahlreiche Verpflichtungen. Beschäftigt ein Landwirt Mitarbeiter, muss er unter anderem das Arbeitszeitgesetz, das Mindestlohngesetz sowie die Unfallverhütungsvorschriften einhalten. Hinzu kommen die Regelungen des Sozialgesetzbuchs, beispielsweise zur Absicherung der Beschäftigten. Schließlich dürfen auch steuerrechtliche Verpflichtungen nicht außer Acht gelassen werden. Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer sowie die Grundsteuer für land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen betreffen auch landwirtschaftliche Betriebe unmittelbar.

All diese Vorschriften werden durch umfangreiche Dokumentations- und Meldepflichten flankiert. So müssen Landwirte jede Anwendung von Pflanzenschutzmitteln dokumentieren, und zwar innerhalb von vierzehn Tagen nach der Ausbringung. Ebenso ist vor jeder Düngung eine Düngebedarfsermittlung erforderlich, alle Düngemaßnahmen sind aufzuzeichnen, und ein jährlicher Nährstoffvergleich ist bis zum 31. März des Folgejahres vorzulegen. Auch die Abgabe von Wirtschaftsdüngern an Dritte ist meldepflichtig. Tierhalter müssen ein Bestandsregister führen, Zu- und Abgänge von Tieren in der HI-Tier-Datenbank innerhalb von sieben Tagen melden und jede Behandlung mit Tierarzneimitteln genau dokumentieren. Bei Überschreitung bestimmter Bestandsgrößen sind zusätzlich Meldungen an die Tierarzneimitteldatenbank vorgeschrieben. Tritt ein Seuchenverdacht auf, ist unverzüglich das Veterinäramt zu informieren. Darüber hinaus ist jeder Betrieb verpflichtet, eine Schlagkartei zu führen, in der Anbaukulturen, Saat- und Erntedaten sowie Dünge- und Pflanzenschutzmaßnahmen dokumentiert werden. Die jährliche Flächenmeldung im Rahmen des GAP-Antrags muss in der Regel bis Mitte oder Ende Mai erfolgen. Auch Aufzeichnungen über Lagerkapazitäten für Gülle, Jauche und Mist sind verpflichtend. Schließlich müssen Betriebe mit Beschäftigten eine vollständige Sicherheits- und Gefahrstoffdokumentation vorweisen, einschließlich Unterweisungsnachweisen für die Mitarbeiter.

Für einen kurzen Gesamtüberblick ist anbei eine Jahresübersicht, was wann dokumentiert / gemeldet werden muss:

 

BereichDokumentation / MeldungFrist
PflanzenschutzAnwendungen in Pflanzenschutzkartei14 Tage nach Anwendung
DüngungDüngebedarf vor Düngung, NährstoffvergleichBedarf: vor Düngung, Vergleich: 31. März Folgejahr
WirtschaftsdüngerAbgabe/Mengenmeldung an Behörde31. März Folgejahr
TierkennzeichnungGeburt, Zu-/Abgang, Verlust in HI-Tier melden7 Tage
TierarzneimittelDokumentation Anwendung / Meldung Antibiotikafortlaufend, zeitnah
GAP-AntragFlächenmeldungbis 31. Mai
Öko-/AUKM-MaßnahmenNachweise über Umsetzungwährend des Jahres, Kontrolle jederzeit
ArbeitsschutzUnterweisungen dokumentierenjährlich


Diese Vielzahl an Gesetzen, Verordnungen und Dokumentationspflichten zeigt, dass Landwirte nicht nur Produzenten von Lebensmitteln sind, sondern zugleich eine immense Verantwortung für Umwelt, Tierwohl, Lebensmittelsicherheit und Arbeitsschutz tragen. Dokumentation und Nachweisführung sind dabei wichtige Instrumente für Transparenz und Kontrolle. Dennoch wird zunehmend diskutiert, ob der Umfang der Vorschriften noch verhältnismäßig ist. Ein Bürokratieabbau erscheint vielen deshalb notwendig, damit Landwirte sich wieder stärker auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können: die Bewirtschaftung ihrer Flächen, die Versorgung ihrer Tiere und die Sicherung einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion.

Zurück zur Listenansicht

Wir sind für Euch da und
unterstützen Euch.

Hier erfahrt Ihr, wo wir Euch überall helfen können.